Standortverlagerungen in der Praxis

24.07.2019

Seit geraumer Zeit beobachten wir, dass ein Teil unserer Mandanten neue Standorte innerhalb und außerhalb Chinas prüft, insbesondere im Bereich der Produktion. Treiber für diese Entscheidung ist häufig die verstärkte Durchsetzung von Umweltauflagen durch lokale Behörden. Andere Gründe können Kostensteigerungen am aktuellen Standort, eine verbesserte Infrastruktur an potentiellen neuen Standorten oder die Erweiterung der Geschäftsaktivitäten sein.

 

Mit einer Standortverlagerung gehen eine Vielzahl rechtlicher und praktischer Probleme einher. Geht es um Industrien mit eher hoher Umweltbelastung, kann bereits die Suche nach einem geeigneten Standort in China eine Herausforderung sein. Entwickelte Industriegebiete sind hier chinaweit mittlerweile sehr zurückhaltend. An weniger entwickelten Standorten in China sind zwar die Investitionsbedingungen auf den ersten Blick positiv. In der Umsetzung ist aber häufig Geduld gefragt, wenn zum Beispiel der Sachbearbeiter einer lokalen Behörde oder Bank zum ersten Mal ein ausländisch investiertes Unternehmen betreut und mit den speziellen Vorgängen im internationalen Umfeld nicht vertraut ist. Aktuell hatten wir z.B. das Problem, dass einer lokalen Arbeitsbehörde der Begriff der Entsendung nicht bekannt war.

 

Der Trend zu Standortverlagerungen scheint sich auch in Zukunft fortzusetzen. In der Geschäftsklimaumfrage der Deutschen Handelskammer in China 2018/2019 gaben insgesamt 30% der befragten Unternehmen an, dass Einschränkungen im Rahmen der Durchsetzung der Umweltschutzverordnung, eine regulatorische Herausforderung für ihr Unternehmen in China bedeuten. Wir betrachten daher die grundsätzlichen juristischen Umsetzungsmöglichkeiten in China (siehe unten 1. und 2.) und werfen auch einen Blick auf Vietnam, das viele Unternehmen aktuell als eine weitere Option für einen neuen Standort prüfen (siehe unten 3.).

 

1. Umsetzungsmöglichkeiten in China

 

Aus juristischer Sicht können Standortverlagerungen innerhalb von China auf verschiedene Art und Weise vollzogen werden:

 

a. Verlagerung der kompletten bestehenden rechtlichen Einheit

Im Falle der Verlagerung der bestehenden rechtlichen Einheit an einen neuen Standort in bleibt das Unternehmen als rechtliche Einheit erhalten. Dies hat den großen Vorteil, dass der Status Quo von Verträgen mit Kunden und Lieferanten im Wesentlichen unangetastet bleiben kann. Das Hauptproblem an dieser Lösung sind jedoch häufig die Steuerbehörden am alten Standort, die mit der Verlagerung einen Steuerzahler sowie Steueraufkommen verlieren. Steuerbehörden können deshalb geneigt sein, das Verfahren der Verlagerung in die Länge zu ziehen. Daher ist diese Lösung aufgrund der Abhängigkeit vom Wohlwollen der Steuerbehörden in der Praxis häufig mit erheblichen Unsicherheiten verbunden.  

 

b. Neugründung am neuen Standort

Die vorgenannten Probleme mit den Steuerbehörden können durch eine Neugründung in der Regel vermieden werden. Zudem wird ein neu gegründetes Unternehmen eher in der Lage sein, mit Lokalregierungen und Betreibern von Wirtschaftszonen Vergünstigungen (z.B. Steuerrückerstattungen)  für die Investition zu verhandeln. Allerdings muss bei einer Neugründung neues Kapital zur Verfügung gestellt werden, es sei denn, dass das alte Unternehmen noch nicht ausgesteuerte RMB-Gewinne in China hat, die als Stammkapital für das neue Unternehmen verwendet werden können (siehe dazu unseren Artikel im Steuerrecht). Außerdem muss der Übergang des Geschäfts auf den neuen Standort organisiert werden. Hierzu müssen Verträge mit Kunden und Lieferanten entweder beendet und neu geschlossen oder auf das neue Unternehmen umgeschrieben werden. Dies kann eventuell zu Friktionen im operativen Geschäft führen. 

 

c. Reduzierung des Tätigkeitsumfang des bestehenden Unternehmens und Neugründung

Eine weitere Möglichkeit kann es sein, einen bestehenden Standort mit weniger Funktionen zu behalten und nur bestimmte Aufgaben an einen neuen Standort zu verlagern. Für Unternehmen, die zum Beispiel in Peking nicht mehr produzieren dürfen, kann es Sinn machen Sales- und Marketing-Abteilungen in Peking zu belassen und nur die Produktion an einen neuen Standort zu verlagern.

 

2. Übertragung der Vermögenswerte auf neue Standorte

 

Wenn sich ein Unternehmen für eine Neugründung in China entschieden hat, stellt sich insbesondere die Frage, wie Vermögenswerte (z.B. Maschinen und Anlagen) der Produktion am alten Standort auf die Produktion am neuen Standort übertragen werden können. Auch hierfür gibt es mehre Lösungsansätze, die im Folgenden dargestellt werden.  

 

a. Verschmelzung durch Aufnahme der alten Produktion

In dieser Variante übernimmt das neue Unternehmen die bestehende Einheit im Wege der Verschmelzung. Dabei werden die Vermögenswerte der alten Produktion in rechtlicher Sicht automatisch von der neuen Einheit absorbiert. Allerdings haben einige Behörden keine ausreichenden Erfahrungen mit provinz-übergreifenden Verschmelzungen Insofern sind in dieser Variante informelle Vorgespräche mit den Behörden dringend angezeigt.

 

b. Übertragung der Vermögenswerte auf die neue Einheit und Liquidation der alten Einheit

Der Nachteil bei dieser Lösung ist, dass alle Vermögenswerte auf die neue Produktion übertragen und bewertet werden müssen. Auf der anderen Seite sind die Übertragung von Vermögenswerten sowie Liquidation der alten Einheit (sofern diese nicht in einem reduzierten Umfang behalten wird) relativ standardmäßige Prozesse, die den zuständigen Behörden in der Regel bekannt sind. Diese Variante ist bei provinz-übergreifenden Verlagerungen daher häufig der sichere Weg.

 

3. Die zusätzliche Option: Vietnam

 

Vietnam etabliert sich zunehmend als weitere Option für Unternehmen, die in Asien Geschäft machen wollen. Zum einen wird Vietnam mit seinem stetigen Wirtschaftswachstum und einem wachsenden Markt selbst attraktiv. Verschiedene Freihandelsabkommen, beispielsweise mit der EU, erleichtern zudem den internationalen Handel. Zum anderen sprechen einige Faktoren für Vietnam, die aktuelle Probleme in China spiegeln. Genehmigungen für umweltrelevante Projekte können ggf. einfacher erreicht werden. Lohnkosten sind im Durchschnitt niedriger. Der Handelskrieg zwischen China und den USA wirkt sich weniger aus. Die Verkehrsanbindung für den Güterverkehr kann aus einer vietnamesischen Hafenstadt im Einzelfall einfacher sein als aus einer Third-Tier-City in Zentral-China.

 

Für die meisten Unternehmen bedeutet die Gründung eines Standorts in Vietnam nicht gleichzeitig die Aufgabe des China-Standorts. Denn wer den chinesischen Absatzmarkt bearbeiten will, kann dies in der Regel nur aus China heraus effektiv betreiben. Und nur wenige deutsche Unternehmen betrachten China noch als einen reinen Beschaffungsmarkt. In der Praxis ist die Gründung eines Standorts in Vietnam daher ein zusätzlicher Standort (Stichwort: "China+1"). Entscheidet sich ein Unternehmen für einen zusätzlichen Standort in Vietnam sind aus rechtlicher Sicht zum einen die gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen für die Gründung und die steuerlichen Auswirkungen zu prüfen. Sind auch (Zu-)Lieferketten von der Neuausrichtung betroffen, müssen vor allem vertragliche Verpflichtungen geprüft und ggf. angepasst werden.

 

Die Entscheidung über einen neuen Standort sollte je nach den Gegebenheiten im Einzelfall geprüft werden. WRZ China bietet zusammen mit seinen Netzwerkpartnern (GERMELA und Access Vietnam) spezialisierte Beratung zu allen Fragen rund um die Standort-Entwicklung in China und Vietnam an.