Corona Virus und Arbeitsrecht

06.03.2020

Arbeitsrecht in der Krise

 

(Autor: Florian Kessler)

 

Für viele Unternehmen stellt sich während der Corona-Epidemie die Frage, wie Kosten im Bereich Personal eingespart werden können. 

 

Die Fragestellung ist insbesondere deshalb relevant, weil viele Bueros und Fabriken aufgrund von staatlichen Regelungen, Regelungen der Gebäudeverwaltung oder anderen Gründen nicht voll besetzt werden können. In einigen Fällen kann ersatzweise sinnvoll Heimarbeit angeordnet werden. In manchen Fällen macht Heimarbeit jedoch keinen Sinn. Zudem erfordert die krisenbedingte Auftragslage bei vielen Unternehmen aktuell nicht 100% der verfügbaren Personalkapazitäten. 

 

Vor der Ergreifung von arbeitsrechtlichen Maßnahmen sollten Unternehmen in jedem Fall prüfen, ob der Druck auf den Cash-Flow ggf. auch über die Inanspruchnahme von staatlichen Unterstützungsmaßnahmen bereits ausreichend entlastet werden kann (z.B. Befreiung oder Verschiebung von Arbeitgebereiträgen zur Sozialversicherung). Zu den staatlichen Unterstützungsmaßnahmen haben wir eine Übersieht erstellt, die wir auf individuelle Nachfrage gern zur Verfügung stellen.

 

Im Folgenden stellen wir dar, welche Möglichkeit Unternehmen haben, die Gehälter der Mitarbeiter anzupassen (siehe unten I.), welche sonstigen arbeitsrechtlichen Maßnahmen zur Verfügung stehen (siehe unten II.) und ob Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen ausgesprochen werden können (siehe unten III.). 

 

I. Gehaltsanpassungen

 

1) Einseitige Gehaltsanpassungen

 

Einseitige Gehaltsanpassung ohne Zustimmung des Mitarbeiters sind im Wesentlichen nur möglich, wenn ein Unternehmen den Betrieb vorläufig einstellt (sog. Suspendierung). In diesem Fall muss das Unternehmen Feedback bei der Belegschaft einholen, idealerweise auf einer Mitarbeiterversammlung. Ferner sollte die Entscheidung über die vorläufige Einstellung des Betriebs sowie die Kürzung der Gehälter den betroffenen Mitarbeitern schriftlich mitgeteilt werden. Die Bestätigung des Empfangs der Mitteilung durch den Mitarbeiter sollte dokumentiert werden. 

 

Ab der Einstellung des Betriebs bzw. der entsprechenden Mitteilung an die Mitarbeiter muss das Gehalt noch für einen Monat voll weitergezahlt werden. Danach kann das Unternehmen das Gehalt auf einen Prozentsatz des städtischen Mindestlohns reduzieren. In Peking wären dies z.B. 70% des städtischen Mindestlohns.

 

Bei einseitigen Gehaltsanpassungen verbleibt immer ein Restrisiko, dass einzelne Mitarbeiter gerichtlich gegen derartige Maßnahmen vorgehen. Dies verursacht zusätzliche Kosten, die in der Krise gerade vermieden werden sollen. Gerade in Zeiten der Krise und des schwierigen Arbeitsmarktes ist das Risiko besonders hoch, dass Mitarbeiter um ihre Rechte kämpfen.  Zudem werden Videos von Gerichtsverfahren teilweise auch auf den Social Credit Plattformen veröffentlicht. 

 

2) Einvernehmliche Gehaltsanpassungen

 

Kurzarbeit im deutschen Sinne gibt es in China nicht. Jedoch können eine vorübergehende Reduktion der Arbeitszeit und Gehaltsanapassungen einvernehmlich durch den Abschluss einer individuellen Zusatzvereinbarung erfolgen. In einer solchen Vereinbarung kann z.B. geregelt werden, dass ein Mitarbeiter vorübergehend während der Epidemie nur 70% der regulären Arbeitszeit arbeiten muss und das Gehalt entsprechend reduziert wird. Natürlich kann auch ein unbezahlter Urlaub vereinbart werden, sofern beide Seiten damit einverstanden sind.Eine solche Vereinbarung hat den großen Vorteil, dass sie mit ausdrücklichem Einverständnis des Mitarbeiters erfolgt und daher „gerichtsfest“ ist.  

 

II. Sonstige arbeitsrechtliche Maßnahmen

 

Da Gehaltsanpassungen eine negative Wirkung auf die Belegschaft haben können, sollten ggf. vorrangig mildere Maßnahmen in Erwägung gezogen werden.

 

1) Führen von Arbeitszeitkonten

 

Einige Unternehmen führen während der Epidemie Arbeitszeitkonten ein, mit der die geringere Auslastung dokumentiert wird. Nach dem Ende der Epidemie kann das Unternehmen dann die „Guthaben“ auf den Konten im Rahmen der gesetzlichen Grenzen für Überstunden abrufen, ohne dafür die regulären Überstundenzuschläge zahlen zu müssen. 

 

2) Anordnung von Jahresurlaub

 

Eine weitere Maßnahme kann die Anordnung des Verbrauchs des Jahresurlaubs sein. Für den Mitarbeiter ist das natürlich nicht ideal, da er den Urlaub während der Epidemie aufgrund der Reisebeschränkungen ggf. nicht in gewünschter Form nutzen kann. In jedem Fall dürfte eine solche Lösung aber leichter als eine Gehaltsreduktion zu akzeptieren sein.

 

3) Einführung Gesamtarbeitszeitsystem

 

Für Produktionsunternehmen kommt als Maßnahme auch die Einführung des Gesamtarbeitssystems in Betracht. Die chinesischen Behörden haben insoweit signalisiert, dass entsprechende Anträge für die Einführung des Gesamtarbeitszeitsystems wohlwollend geprüft werden. Im Rahmen des Gesamtarbeitszeitsystems müssen keine Überstundenzuschläge gezahlt werden, wenn in einer Jahres- oder Halbjahresbetrachtung (und nicht in der üblichen Tages- bzw. Monatsbetrachtung) das zulässige Stundenkontingent nicht überschritten wird. 

 

Die Führung von Arbeitszeitkonten und die Anordnung von Jahresurlaub sollten wie die einvernehmliche Gehaltsanpassung am besten in einer schriftlichen Zusatzvereinbarung festgehalten werden. Sollte dies nicht möglich sein, wäre nach unserer Auffassung zumindest die Anordnung des Verbrauchs von Jahresurlaub als einseitige Maßnahme des Unternehmens n der Krise zu rechtfertigen. Für den Antrag auf Einführung des Gesamtarbeitszeitsystems müssen normalerweise in der Regel schriftliche Zustimmungen der betroffenen Mitarbeiter vorgelegt werden. 

 

III. Kündigungen

 

Das chinesische Arbeitsvertragsrecht sieht in Art. 41 die Möglichkeit von Massenentlassungen ausdrücklich aus wirtschaftlichen Gründen vor. Nach Art. 40 kann zudem auch ein einzelnes Arbeitsverhältnis unter Berufung auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage einseitig gekündigt werden. Beide Kündigungsmöglichkeiten sollten aber nur als letztes Mittel in Erwägung gezogen werden. Einerseits ist der Begründungs- und Verwaltungsaufwand (zzgl. der Anwaltskosten!) zur erfolgreichen Umsetzung von solchen Kündigungen nach Art. 40 und 41 enorm. Zum anderen ist nach unserer Auffassung die Wahrscheinlichkeit gering, dass chinesische Behörden und Arbeitsgerichte während der Epidemie einseitige Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen unterstützen werden, zumal Unternehmen durch zahlreiche finanzielle Anreize ermutigt werden, Arbeitnehmer während der Corona-Krise zu halten Daher sollte im Zweifel besser eine einvernehmliche Aufhebung gegen Zahlung einer Abfindung in Betracht gezogen werden. 

 

Die Situation ist anders gelagert, wenn ein Unternehmen den Geschäftsbetrieb komplett einstellt und die Liquidation beantragt. Die Liquidation eines Unternehmens ist ein gesetzlicher Kündigungsgrund nach Art. 44, der relativ einfach durch einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss und die Beantragung der Schließung des Unternehmens bei den zuständigen Behörden nachgewiesen kann. Natürlich muss auch bei der Liquidation die gesetzliche Abfindung ausgezahlt werden.