Unter der Lupe - Neue Bewegung in China‘s Sozialkreditsystem für Unternehmen

24.03.2021

(Autoren: Dr. Florian Kessler, Silke Neugebohrn und Jingyi Wang)

 

Im Anschluss an Leitlinien des Staatsrats vom Dezember 2020 wurden zu Beginn des Jahrs des Büffels gleich eine Vielzahl von relevanten Regelungen zum Sozialkreditsystem erlassen. Den Auftakt machte die chinesische Administration for Market Regulation („AMR“), welche im Februar 2021 gleich drei wichtige Entwürfe erlassen hat: einen neuen Entwurf für die „Schwarze Liste“, einen Entwurf zum „Kreditreparaturprozess“ sowie einen Entwurf zur Neufassung einer Vorschrift zu Verwaltungsstrafen.

 

1. Stand der Umsetzung des Sozialkreditsystems

 

Ziel des Sozialkreditsystems ist die Schaffung eines zentralen Bewertungssystems für Unternehmen mit einer Gesamtnote für jedes einzelne Unternehmen. In diesem System sollen die Informationen und Einzelnoten der jeweiligen Fachbehörden wie Steuerbehörde, Zollbehörde etc. zusammenfließen. Da es diese Gesamtnote auf Ebene der nationalen Plattformen (wie „Credit China“) noch nicht gibt, müssen Unternehmen aktuell eine Vielzahl von unterschiedlichen Plattformen und Einzelbewertungen der Fachbehörden parallel prüfen, um einen vollständigen Überblick zu erhalten. 

 

2. Neue Leitlinien des Staatsrats 

 

Die neuen Leitlinien des Staatsrates vom Dezember 2020 sind ein wichtiger Meilenstein, da sie den aktuellen Stand des Systems mit den Zielvorgaben abgleichen, offene Themen ansprechen und wichtige Prinzipen aufstellen. 

Im Folgenden werden einige der wichtigsten Aspekte dargestellt:

 

  • Die nationalen Plattformen „Credit China“ und der AMR sollen die Kreditinformationen von den Plattformen der einzelnen Fachbehörden (Steuerbehörde, Zoll etc.) und der regionalen Gebietskörperschaften (Provinzen, Städte, Bezirke) sammeln. Die Kreditinformationen sollen dabei unverändert übernommen werden.  

 

  • Negative Einträge sollen auf rechtlichen Dokumenten basieren wie z.B. Gesetzen und anderen Vorschriften, Urteilen, Schiedssprüchen oder Verwaltungsstrafen. D.h. Behörden können nicht willkürlich oder nach eigenem Ermessen bestimmen, welcher Umstand zu einem negativen Eintrag führt. 

 

  • Beim Austausch von Kreditinformationen zwischen den verschiedenen Pattformen bzw. Behörden sollen der Anwendungsbereich – also welche Informationen ausgetauscht werden - sowie das Verfahren standardisiert werden. 

 

  • Ein Kreditreparaturprozess soll eingerichtet bzw. bestehende Prozesse verbessert werden. Grundsätzlich sollen negative Einträge gelöscht werden können, wenn das beanstandete Verhalten korrigiert wurde. Das heißt z.B., wenn ein Produktionsunternehmen ohne Umweltgenehmigung produziert und einen negativen Eintrag bekommt, muss es zunächst die Umweltgenehmigung nachholen, ggf. eine Strafe zahlen und kann dann die Löschung des Eintrags beantragen. 

 

  • Umständen wie höherer Gewalt, z. B. aufgrund von Epidemien, soll Rechnung getragen werden. 

Alle bestehenden Plattformen sollen bis Ende 2021 an die Vorgaben dieser Leitlinien angepasst werden. Es ist innerhalb dieses Jahres also mit einer Flut von Vorschriften auf nationaler und regionaler Ebene zu rechnen. Das Thema Sozialkreditsystem wird die Unternehmen daher im Jahr 2021 noch massiv beschäftigen.

 

3. Neuer Entwurf für Schwarze Liste 

 

In Umsetzung der Leitlinien des Staatsrates hat die AMR am 10. Februar 2021 einen neuen Entwurf für die Schwarze Liste erlassen. 

Zu den wichtigen Aspekten dieses Entwurfs gehören:  

 

  • Die Gründe für die Aufnahme in die schwarze Liste wurden erweitert und nach den folgenden Themen gruppiert: (1) Lebensmittel-, Arzneimittel- und Produktsicherheit, z.B. der Vertrieb von medizinischen Produkten der Klassen II und III ohne die erforderlichen Registrierungen, (2) Unfairer Wettbewerb, z.B. die bösgläubige Registrierung von fremden Marken und (3) Produkthaftung und Online-Verkauf. Mit der Erweiterung der Gründe wird unter anderem dem erweiterten Zuständigkeitsbereich der AMR Rechnung getragen.

 

  • Unternehmen werden über die Aufnahme in die Schwarzen Liste benachrichtigt. Eine Benachrichtigung über die Aufnahme gab es bisher in der Regel nicht. Dies wäre für Unternehmen also eine erhebliche Verbesserung. 

 

4. Entwurf Kreditreparaturprozess 

 

In dem Entwurf der AMR für einen Kreditreparaturprozess vom 18. Februar 2021 wird - ebenfalls in Umsetzung der Leitlinien des Staatsrats - der Kreditreparaturmechanismus des Handelsregisters geregelt. Bislang wird in bestehenden Vorschriften nur die grundsätzliche Möglichkeit einer Löschung erwähnt. Einzelheiten zum Verfahren sind jedoch nicht geregelt. 

Zu den wichtigen Aspekten gehören: 

 

  • Bei Verwaltungsstrafen kann eine Löschung nach 3 Monaten, 6 Monaten oder 1 Jahr je nach Schweregrad und Grund der Strafen erfolgen. 

 

  • Bei einer Führung auf der Liste der Unternehmen mit abnormalem Geschäftsbetrieb ist eine Löschung nach der Behebung des beanstandeten Fehlverhaltens möglich. 

 

  • Bei der Schwarzen Liste ist nach dem Entwurf zu unterscheiden: Im Falle einer Übertragung von der Liste der Unternehmen mit abnormalem Geschäftsbetrieb in die Schwarze Liste ist eine Löschung ebenfalls nach der Behebung des beanstandeten Verhaltens möglich. Bei einer Aufnahme in die Schwarze Liste aus anderen Gründen ist dies nach 1 Jahr möglich, sofern das Fehlverhalten behoben wurde, in schwerwiegenden Fällen erst nach 3 Jahren. Diese Regelung ist auch in dem Entwurf für die Schwarze Liste enthalten und verspricht im Vergleich zu der jetzt geltenden Mindestverbleibdauer auf der Schwarzen Liste von 5 Jahren eine Verbesserung für Unternehmen.

 

  • In Bezug auf das Verfahren werden u.a. die Standardisierung der durchzuführenden Schritte, die Art der Überprüfung der Berichtigung des sanktionierten Verhaltens, sowie die Fristen z.B. für die Entscheidung (15 Arbeitstage nach Akzeptieren des Antrags) und Löschung (3 Arbeitstage nach der Entscheidung) geregelt. 

 

  • Ein Notfallreparaturmechanismus im Falle von z.B. Naturkatastrophen ist vorgesehen: Unternehmen können sofort die Streichung von der Liste beantragen, um sich z.B. an Soforthilfemaßnahmen beteiligen zu können. Hiermit wird Umständen wie z.B. der Corona-Pandemie Rechnung getragen.

 

5. Neuer Entwurf zu Verwaltungsstrafen 

 

Der dritte Entwurf, den die AMR in Umsetzung der Leitlinien des Staatsrats am 20. Februar 2021 erlassen hat, betrifft eine Neufassung der Vorschrift zur Veröffentlichung von Verwaltungsstrafen wie z.B. Bußgeldern. 

Zu den wichtigen Aspekten im Hinblick auf das Sozialkreditsystem gehören: 

 

  • Verwaltungsstrafen dürfen maximal 3 Jahre anstatt wie gegenwärtig 5 Jahre im System der AMR veröffentlicht werden. 

 

  • Neu eingefügt wurden die Bedingungen für die Löschung der Veröffentlichung im AMR System. Diese überschneiden sich mit den Anforderungen im Entwurf zum Kreditreparaturprozess (siehe oben 4). Sie enthalten jedoch auch zusätzliche Bedingungen wie z.B., dass eine Verwaltungsstrafe nicht gelöscht werden kann, wenn das Unternehmen gleichzeitig auf der Schwarzen Liste (z.B., weil das Unternehmen mehrfach Markenrechtverletzungen begangen hat) oder der Liste von Unternehmen mit abnormalem Geschäftsbetrieb (z.B., weil am Unternehmenssitz niemand für die Behörde erreichbar war) geführt wird. 

 

6. Bewertung 

 

Die Leitlinien des Staatsrats dürften zu einer erhöhten Transparenz und stärkeren Vereinheitlichung der unterschiedlichen Einzelsysteme führen. Die Anforderungen der verschiedenen Behörden können so leichter erfüllt und negative Einträge vermieden werden. Während der „heißen“ Anpassungsphase im Jahr 2021 ist es für Unternehmen besonders wichtig, die relevanten Plattformen und Vorschriften im Blick zu behalten, um auf geänderte Anforderungen reagieren zu können.
 

Die Entwürfe der AMR als einer der zentralen Behörden bringen bereits erhebliche Erleichterungen mit sich. Dabei ist insbesondre positiv hervorzuheben, dass Unternehmen zukünftig über die Aufnahme in die Schwarze Liste informiert werden. Dies ist aktuell nicht der Fall. Diese Informationspflicht sollte idealerweise auch auf sonstige Einträge im Sozialkreditsystem erweitert werden. Anderenfalls kann es zu bösen Überraschungen im operativen Geschäftsbetrieb kommen (z.B. werden keine neuen Lizenzen bei einer Geschäftserweiterung erteilt oder Steuervergünstigungen zurückgezogen). 

Mit Spannung ist zu erwarten, wie andere Behörden die Leitlinien des Staatrats umsetzen und wie sich dies weiter für Unternehmen auswirkt. 
 

(Dieser Artikel ist erschienen in dem Wirtschaftsmagazin China Insight, Ausgabe 01-2021, Seite 16 - 18, abrufbar unter diesem Link.)